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Wer war Ludwig Rosenberg
Ludwig Rosenberg, geboren 1903 in einer bürgerlichen, deutsch-jüdischen Familie in Berlin-Charlottenburg, machte von 1921 bis 1925 eine Lehre als Kaufmann und arbeitete dann als kaufmännischer Angestellter in der väterlichen Tuchwarenhandlung. Früh wandte er sich der Arbeiter- und Angestelltenbewegung zu, unter anderem als Mitglied des Republikanischen Jugendbundes, des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und der SPD. 1928 wurde er Mitglied und hauptamtlicher Mitarbeiter im Gewerkschaftsbund der Angestellten (GdA). 1933 emigrierte er nach Großbritannien, wo er als Lehrer in der Arbeiterbildungsgesellschaft arbeitete, politisch und gewerkschaftlich gegen das NS-Regime wirkte.
1946 kehrte er auf Wunsch von Hans Böckler nach Deutschland zurück und wurde 1948 in der britischen Besatzungszone Gewerkschaftssekretär. Er war 1949 Mitbegründer des DGB, dessen Bundesvorstand er von Beginn an bis zu seiner Pensionierung 1969 für zwanzig Jahre angehörte. Als Leiter der Auslandsabteilung nannte man ihn „Böcklers Außenminister“. Ab Mitte der 1950er leitete er die Hauptabteilung Wirtschaftspolitik des DGB. 1960 bis 1962 war er Präsident des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. 1962 wurde er als erster Vertreter des Angestelltenflügels zum DGB-Bundesvorsitzenden gewählt, ein Amt, das er in den bewegten 1960ern, den Umbruchjahren der Bundesrepublik, mit viel Engagement ausfüllte. Rosenberg war ein Pionier der europäischen Einigung und internationalen Verständigung, gerade auch im gewerkschaftlichen Bereich – so als Präsident des europäischen und Vizepräsident des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften. Er setzte sich für die deutsch-israelischen Beziehungen ein und trug zu den bis heute in den DGB-Gewerkschaften tief verankerten Kooperationen und freundschaftlichen Kontakten zwischen der deutschen und israelischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung bei.
Trotz seines ausgleichenden Wesens vertrat Rosenberg durchaus kontroverse Standpunkte, die im gewerkschaftlichen Rahmen heiß umstritten waren. So bekannte er sich zur sozialen Marktwirtschaft, brachte das Grundsatzprogramm von 1963 auf den Weg, das einen Abschied von klassenantagonistischen Positionen und eine Hinwendung zur „Sozialpartnerschaft“ bedeutete, und führte den DGB zu einer konstruktiven Haltung während der Ära Ludwig Erhards und der Großen Koalition (Konzertierte Aktion). Mitbestimmung war für ihn mehr als ein Instrument zum Ausgleich innerbetrieblicher Konflikte: Er sah darin einen Schritt zu mehr Demokratie und zu einer „wahrhaft menschlichen Ordnung“.
Es ist darüber hinaus bemerkenswert, dass Rosenberg einer der ganz wenigen Juden in der alten Bundesrepublik war, die überhaupt in eine gesellschaftliche Spitzenposition gewählt wurden. Es ist bezeichnend und von großem Interesse, dass dies im Deutschen Gewerkschaftsbund der 1960er möglich war.
Als Namenspatron für das Kolleg „Historische Bezüge zwischen Arbeiterbewegung und Judentum“ von HBS und MMZ ist Ludwig Rosenberg in vielfacher Hinsicht geeignet. Er entstammte nicht nur einer deutsch-jüdischen Familie, deren soziale Konsolidierung vermutlich typisch sein dürfte für die soziale Dynamik des Judentums („Verbürgerlichungs“-These) im 19. und frühen 20. Jahrhundert, sondern steht auch für die Hinwendung vieler Jüdinnen und Juden zu Demokratie und sozialer Gerechtigkeit, die sie in die Reihen der Arbeiterbewegung führten. Dieser demokratische Humanismus gehört auch zum Erbe der jüdischen Aufklärung in Mitteleuropa („Haskala“), wie sie von Moses Mendelssohn ihren Ausgang nahm. Zugleich war Rosenberg ein Vorkämpfer der Mitbestimmung und nicht zuletzt ein enger Weggefährte von Hans Böckler.