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- Graduiertenförderung
- Ludwig Rosenberg Kolleg
- Wer war Ludwig Rosenberg
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- Claudia Boujeddayn (abgeschlossen)
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- Anna Junge (assoziiert)
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- Frank Voigt (abgeschlossen)
- Doktorand*Innen
Anna Junge (assoziiert)
Erstes Juristisches Staatsexamen (HU Berlin/ Eötvös Loránd Tudományegyetem, Budapest)
Europäischer M.A. im Studiengang Holocaust Communication and Tolerance (Touro College Berlin)
US-amerikanischer M.A. im Studiengang Jewish Studies (Touro College Berlin)
Doktorandin am Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin
Projektskizze
Unerwartete Nachbarschaft. Jüdisch-nichtjüdische Konfrontationen 1945–1948 im ländlichen Raum Hessens (Arbeitstitel)
Früh am Morgen des 6. Septembers 1942 wurden im kleinen hessischen Rauischholzhausen bei Marburg die letzten jüdischen Ortsbewohner/innen unter dem Beifall einiger Nachbar/innen auf LKWs getrieben und nach Theresienstadt deportiert. Direkt nach dem Abtransport kam es zu wilden Plünderungen ihrer Häuser, letzte Habseligkeiten wurden alsbald öffentlich versteigert.
Doch drei der Deportierten überlebten die Shoah und kehrten 1945 ins Dorf zurück. Eine von ihnen wiedereröffnete ein Gemischtwarengeschäft. Die beiden anderen verübten Raubüberfälle auf Nazis und initiierten im Sommer 1946, kurz vor ihrer eigenen Emigration in die USA, die Eröffnung einer jüdischen Landwirtschaftsschule vor Ort. Rund 150 aus Polen geflohene Jüdinnen und Juden wohnten fortan im Festsaal eines zentral gelegenen Gasthofs und arbeiteten auf einem großen Gutshof, der parallel auch vielen nichtjüdischen Ortsbewohner/innen als Arbeitsplatz diente. Vier Jahre nach seiner Deklaration als ,judenfrei’ befanden sich im Ort zwischen Sommer 1946 und Ende 1947 mehr Jüdinnen und Juden als je zuvor.
Thema meiner Promotion sind jüdisch-nichtjüdische Begegnungen in Deutschland nach der Shoah, und zwar während der ersten Nachkriegsjahre (1945–1948) im ländlichen Raum Hessens. Diese Geschichte ist vielseitig: Unter den Alliierten waren deutsch-jüdische Soldaten, die ihre Herkunftsdörfer und jüdische Friedhöfe besuchten. Einige Landjüdinnen und -juden überlebten als Ehepartner/innen oder Kinder in sogenannten ‚Mischehen’. Andere kehrten aus Konzentrations- und Vernichtungslagern zurück, wenige aus dem Versteck, sehr wenige aus dem Exil – besuchsweise auf der Suche nach dem Verbleib von Freund/innen und Verwandten, aber auch, um langfristig zu bleiben. Zu ihnen gesellten sichin einigen westdeutschen Dörfern ab 1946 osteuropäisch-jüdische Displaced Persons. Die meisten jüdischen DPs der amerikanischen Zone verbrachten die Nachkriegsjahre in großen Flüchtlingscamps. Doch etwa 20 % von ihnen wohnten außerhalb jeder Camp-Struktur in deutschen Städten und Gemeinden. Andere 12 % lebten in Kibbuzim/Hachscharoth, d.h. kleineren Ausbildungsstätten und -höfen zur Vorbereitung auf Israel/Palästina auf vom US-Militär beschlagnahmten Grundstücken. So wurden einige Dörfer zwischen 1945 und 1948 zum temporären Zufluchtsort jüdischer Flüchtlinge aus Osteuropa.
Deutsche Täter/innen, deutsch-jüdische Rückkehrer/innen, Kibbuzniks – sie alle trafen sich auf so engem Raum. Wie war es möglich, nach der verbrecherischen Geschichte gemeinsam an einem Ort zu wohnen? Wie gestaltete sich das ‚Zusammenleben’? Wer bezog sich auf wen, in welcher Weise und warum? Was waren Gründe zu bleiben? Gab es eine Annäherung, einen Austausch über die Geschehnisse? Gewalt und alte Freundschaften, Gewerbe und Vereinsleben – mein Projekt dient der Untersuchung vielseitiger Wechselbeziehungen in Dörfern mit jüdischer Bevölkerung in den ersten Jahren nach der Shoah. Das Thema soll mikrohistorisch am Beispiel einiger Ortschaften im hessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf erforscht werden. Neben der Sichtung aller erdenklichen Quellen sollen auch Oral History Quellen einbezogen und eigene Gespräche mit jüdischen und nichtjüdischen Zeitzeug/innen geführt werden.