Christine Meibeck
Christine Meibeck, (Universität Potsdam: Miriam Rürup: Zweitbetreuung)
Jüdische Flüchtlinge in Norwegen 1933-1945
Das Promotionsprojekt nimmt das jüdische Exil in Norwegen während der Zeit des Nationalsozialismus in den Blick. Laut aktuellem Forschungsstand fanden nur rund 400–500 Jüdinnen und Juden hier eine Zuflucht – kaum ein europäisches Land nahm in dieser Zeit weniger jüdische Flüchtlinge auf. In der Peripherie Europas gelegen war Skandinavien im Vergleich zu den direkten deutschen Nachbarländern, wie etwa den Beneluxstaaten oder Frankreich, allgemein als Ziel für Flüchtlinge aus dem Deutschen Reich relativ unattraktiv. Norwegen verfolgte zudem eine äußerst restriktive Zuwanderungspolitik, weshalb ein Großteil der jüdischen Flüchtlinge allein durch die Unterstützung norwegischer respektive norwegisch-jüdischer Hilfsorganisationen ins Land kam, die einerseits die Einreise ermöglichten und organisierten, darüber hinaus aber auch eine langfristige finanzielle Versorgung leisteten. Hunderte der jüdischen Geflüchteten ergriffen nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht am 9. April 1940 erneut die Flucht und entkamen über die grüne Grenze nach Schweden, oftmals mithilfe der norwegischen Zivilbevölkerung. Die in Norwegen verbliebenen Jüdinnen und Juden gerieten größtenteils in die Fänge der Nationalsozialist:innen und wurden unter Mithilfe norwegischer Behörden verfolgt, entrechtet, verschleppt und ermordet, einige wenige überlebten im Versteck oder in norwegischen Haftanstalten.
Der wesentliche Untersuchungszeitraum des Projektes umfasst die Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft 1933–1945, hinsichtlich einer Kontextualisierung werden jedoch auch Entwicklungen und Ereignisse in der Zwischenkriegszeit als auch in den direkten Nachkriegsjahren miteinbezogen. Im Zentrum der Untersuchung stehen drei Themenkomplexe: (1) die norwegische Immigrationspolitik und -praxis, (2) die Rolle und Tätigkeiten der zivilgesellschaftlichen – jüdischen sowie nichtjüdischen – Hilfsorganisationen und (3) die Perspektiven und Erfahrungen der jüdischen Geflüchteten in Norwegen. Durch diese Schwerpunktsetzung verfolgt das Projekt einen multiperspektivischen Ansatz, der norwegische, norwegisch-jüdische und geflüchtete Perspektiven berücksichtigt und gleichzeitig drei Untersuchungsebenen bzw. -gruppierungen in den Blick nimmt: Die Ebene der Politik und Behörden, die Ebene der zivilgesellschaftlichen Organisationen und letztlich die der jüdischen Geflüchteten. Anhand dieser Fragestellungen möchte ich die Relevanz Norwegens als Ort jüdischen Lebens (re)-evaluieren, insbesondere im Kontext von Exil und Flucht während des Zweiten Weltkrieges. Hinsichtlich der Tatsache, dass Norwegen in der bisherigen Holocaustforschung so oft übergangen wurde, sollen meine Ergebnisse das bisherige Wissen über jüdisches Leben während des Krieges, das jüdische Exil und die Shoah im Allgemeinen in wichtigen Punkten erweitern und damit bisherige Perspektiven sowie etablierte historische Narrative erweitern oder herausfordern.