Emil Julius Gumbel (1891-1966)
Emil Julius Gumbel war ein entschiedener Republikaner, streitbarer Pazifist und früher Warner vor dem Nationalsozialismus. Als Mathematiker und Statistiker hat sich Gumbel mit den Methoden seiner Wissenschaft den republikfeindlichen Kräften der extremen Rechten gewidmet. Nach massiven Anfeindungen wurde er bereits 1932 von der Universität Heidelberg entlassen. 1933 fielen seine Werke den Bücherverbrennungen zum Opfer, er selbst emigrierte über Frankreich in die USA, wo er 1953 einen Lehrstuhl an der Columbia Universität erhielt. Als Statistiker durch sein Hauptwerk Statistic of Extremes und die nach ihm benannte „Gumbel-Verteilung“ bekannt, wird die Erinnerung an seine Verdienste um die Republik in Deutschland kaum noch gepflegt.
Emil Julius Gumbel wurde in München als Sohn einer jüdischen Familie 1891 geboren. 1914 meldete er sich freiwillig zur Kriegsteilnahme, entwickelte sich aber rasch zu einem entschiedenen Pazifisten und Kriegsgegner. Er schloss sich der USPD an, bekannte sich 1918 zur Republikanischen Verfassung und ging später zur SPD. In der Weimarer Republik gehörte er dem intellektuellen Kreis um Carl von Ossietzky an.
Der Statistiker Emil Gumbel nutzte die Methoden seiner Wissenschaft, um die politischen Morde in den Jahren der Revolution und Konterrevolution, der inneren Unruhen und des Bürgerkriegs zu dokumentieren. In der 1921 veröffentlichten Schrift Zwei Jahre Mord, die er 1922 in erweiterter Fassung unter dem Titel Vier Jahre politischer Mord erneut herausgab, errechnete Gumbel, dass die erdrückende Mehrheit der Taten der politischen Rechten zuzuordnen war. Oft blieben sie unbestraft, oder die Strafen fielen milde aus, während politische Morde von links, die viel seltener vorkamen, oft mit drakonischen Strafen geahndet wurden. Gumbel wandte sich zunehmend den republikfeindlichen, rechtsextremen Netzwerken hinter den Mördern zu, den „Verschwörern“, die hinter der reinen Statistik verborgen blieben. 1924 erschien Verschwörer. Zur Geschichte und Soziologie der deutschen nationalistischen Geheimbünde 1918-1924, 1929 folgte „Verräter verfallen der Feme!“ Opfer – Mörder – Richter (1919-1929). Diese Schriften können zu den frühesten wissenschaftlichen Beiträgen zur akteursorientierten Rechtsextremismusforschung gerechnet werden.
War Gumbel bereits 1918 gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt, so wurde seit Mitte der 1920er Jahre von der politischen Rechten eine regelrechte Kampagne gegen ihn inszeniert. Der Privatdozent an der Universität Heidelberg wurde wegen seiner pazifistischen Äußerungen und seiner Schriften zur Verteidigung der Republik angefeindet. Während die Studenten als treibende Kraft der Kampagne auftraten, solidarisierten sich nur wenige Angehörige des Lehrkörpers der Heidelberger Universität mit ihrem Kollegen. Ab 1930 protestierten die Studenten, angeführt vom Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund, immer heftiger gegen Gumbels Berufung zum außerordentlichen Professor. Auf dem Höhepunkt der Kampagne kam es zu Ausschreitungen, den „Gumbel-Krawallen“. Eine Kommission der Universität entschied schließlich 1932, den Mathematiker zu entlassen.
1933 hielt Gumbel sich in Paris auf. Seine Schriften fielen sofort den Bücherverbrennungen zum Opfer. Bis zum deutschen Einmarsch lehrte er in Paris, Straßburg und Lyon und unterstützte von dort aus den antifaschistischen Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime. 1940 glückte ihm die Flucht in die USA. Hier erhielt der bedeutende Mathematiker erst 1953 eine Professur an der New Yorker Columbia University. In den USA verfasste er sein Hauptwerk, Statistic of Extremes, und beschrieb die später nach ihm benannte „Gumbel-Verteilung“. Gegen Ende seines Lebens engagierte er sich gegen den Vietnam-Krieg. 1966 starb Emil Julius Gumbel.
Zum Weiterlesen:
Dietrich Heither, „Ich wusste, was ich tat“. Emil Julius Gumbel und der rechte Terror in der Weimarer Republik, Köln 2016.